Energiewirtschaftliche Flexibilität im digitalen Zeitalter
Die Entwicklungen in der Energiewirtschaft sind geprägt durch die fortschreitende Energiewende und den Übergang in das Zeitalter der Digitalisierung. Veränderungen, welche die gesamte Branchenstruktur betreffen und sich über die gesamte Wertschöpfungskette (Bereitstellung, Transport/ Verteilung/ Speicherung, Handel und Vertrieb, Anwendung von Energie) erstrecken, stehen an. Dies ist verbunden mit einer Systemtransformation, durch die bisherige Wertschöpfungsformen überdacht und tradierte Geschäftsmodelle in Frage gestellt werden. Folglich gilt es, neue Aktivitätsfelder zu erschließen und die dafür erforderlichen unternehmerischen Anpassungen zu gestalten.
Deshalb steht nicht mehr nur der weitere dezentrale Ausbau von Techniken zur Nutzung erneuerbarer Energien im Fokus. Sondern es müssen vor allem auch Arrangements flexibel einsetzbarer und digital vernetzter physischer Assets (Aggregate zur flexiblen Energiebereitstellung/ -abnahme, physische/ funktionale Speicher, intelligente Infrastrukturen/ Komponenten) gestaltet und in Konzepten zur Sektorenkopplung integriert werden. Dies erfordert künftig die ganzheitliche Betrachtung der bislang eher getrennten Systeme zur Strom-, Erdgas-, bzw. Wärmeversorgung einschließlich des Mobilitätswesens. Gleichzeitig sind im Zuge des Designs flexibler – und virtuell gebündelter – Assets auch Innovationspotenziale zu identifizieren und neue Produkt- und Dienstleistungsformate zu entwickeln. Diese werden vor allem von den Möglichkeiten des Datenmanagements der informations- und kommunikationstechnisch miteinander verbundenen Asset-Konfigurationen geprägt sein – und in Zukunft in der Etablierung so genannter "Smart Markets" münden.
Alle Marktbeteiligten – sowohl etablierte Versorgungsunternehmen als auch Branchenneulinge bzw. Startups genauso wie Energieanwender*innen – stehen vor enormen Herausforderungen. Dies gilt umso mehr für kleinere und mittlere "klassische" Energieunternehmen. Hier setzt das avisierte Kompetenzfeld "Energiewende und Transformationsgestaltung" an: Ziel ist die Bündelung interdisziplinärer Kompetenzen, die für die systemische und nachhaltige Behandlung essentieller Aufgaben im Kontext mit den Veränderungsprozessen der Energiebranche notwendig wird. Hierzu zählt vor allem weitreichendes Know-how über Energiemärkte und deren Produkte und Mechanismen sowie regulatorischen Rahmenbedingungen, über Infrastrukturen und deren systemische Zusammenhänge sowie über Informations- und Kommunikationstechnik inkl. Prozessorganisation. Die im Kompetenzfeld "Energiewende und Transformationsgestaltung" involvierten Professuren decken dieses Handlungsspektrum optimal ab. Damit soll ein Beitrag geliefert werden, auch kleinere bzw. in der Region verankerte Energiebetriebe auf ihren individuellen Transformationspfaden zu begleiten.
Forschungsprojekte im Themenfeld
Kurzstudie zu Wärmewende/ Wärmenetzgestaltung der Energieversorgung Beckum
Die Energieversorgung Beckum hat die Hochschule Hamm-Lippstadt beauftragt, Möglichkeiten zur Nutzung industrieller Abwärme zu untersuchen. Dieses Projekt, das seitens der Hochschule von Prof. Dr. Torsten Cziesla koordiniert wird, steht im Kontext zu den Ambitionen des Energieversorgungsunternehmens sowie der Stadt Beckum, die Energieversorgung künftig klimaneutral zu gestalten.
Während die Energiewende im Stromsektor bereits in vollem Gange ist, steht die Wärmewende hierzulande noch am Anfang. Maßnahmen zur Abwärmenutzung, wie sie Gegenstand des hier erwähnten Vorhabens sind, stellen eine wichtige Perspektive für das Gelingen einer klimaschonenden Wärmeversorgung für die Kommunen dar. So soll in Beckum nun analysiert werden, inwieweit aus der Industrie anfallende Abwärme mittels Nahwärmenetz nutzbar gemacht werden kann – um letztlich hier rüber den Einsatz fossiler Energieträger zu substituieren. Zudem sollen auch Möglichkeiten zur Bereitstellung von Wärme aus erneuerbaren Energiequellen, wie z. B. Solarthermie, geprüft werden. Beide Projektmitglieder sind zuversichtlich, dass mit diesem Vorhaben auch die Tür für weitere Folgeprojekte und die erfolgreiche Fortsetzung der Zusammenarbeit geöffnet worden ist.
Elektromobilitätskonzept des Kreises Soest
Im Jahr 2018 wurde im Forschungsfeld als Drittmittelprojekt ein Elektromobilitätskonzept für die Ladeinfrastruktur für den Kreis Soest erstellt. Ein wesentlicher Aspekt in dem Projekt ist die Integration der Elektromobilität mit seiner notwendigen (öffentlichen) Ladeinfrastruktur in die bestehenden Verteilnetze der beteiligten Netzbetreiber. Die Elektromobilität wird ein wichtiger Baustein in der Energiewende und der Transformation zu neuen Geschäftsfeldern sein, sodass das Projekt in dem genannten Professor*innenkreis betreut wird. In dem Projekt sind ein weiterer wissenschaftlicher Mitarbeiter und eine studentische Hilfskraft beschäftigt.
Weitere Projekte und Forschungsaktivitäten
In der Vergangenheit wurde ein Drittmittelprojekt durchgeführt, bei dem die Analyse von Maßnahmen zur Energieeffizienz für einen Produktionsbetrieb der Lebensmittelindustrie im Fokus stand. Dieses Vorhaben erfolgte in Kooperation mit einem Energieberatungsunternehmen.
Die im Forschungsfeld involvierten Wissenschaftler*innen sind zudem in zahlreichen Kooperationen mit Industrieunternehmen tätig und wirken in verschiedenen Gremien bzw. Arbeitsgruppen der Forschungslandschaft aktiv mit. Hierzu zählen bspw. das Netzwerk "Energiewirtschaft - Smart Energy" der Energieagentur NRW, die Arbeitsgruppe "Flexibilitätsoptionen für die Industrie" der Energieagentur NRW sowie der Arbeitskreis "Energieinnovation NRW" des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches (DVGW). Zudem sind die Forschenden durch Prof. Dr. Torsten Cziesla als Mitglied im Lenkungskreis des Netzwerkes "Energiewirtschaft - Smart Energy" der Energieagentur NRW vertreten.
Des Weiteren wurden und werden von den im Forschungsfeld beteiligten wissenschaftlich Agierenden zahlreiche studentische Arbeiten begleitet, auch in Zusammenarbeit mit Unternehmen der Energiewirtschaft, die als offizielle Kooperationspartner*innen der Hochschule fungieren.
Überdies befinden sich derzeit innovative Konzepte in der Entwicklungsphase, die eine direkte Vernetzung von Unternehmen der Energiewirtschaft mit Studierenden als potenzielle Nachwuchskräfte forcieren sollen. Diesem Ansatz liegt der zentrale Gedanke zugrunde, dass im Rahmen der Transformationsprozesse der Energiewende nicht nur fachliche, sondern auch unternehmensentwicklungsspezifische bzw. organisatorische Aufgaben bei den Marktbeteiligten anfallen und umzusetzen sind. Dies wiederum mündet auch in der Erfordernis neuartiger Strategien und Konzepte in Bezug auf Personalidentifikation, -gewinnung und -förderung, worauf die o. g. Ansätze basieren.
Veranstaltungen
Die in losen Abständen stattfindende Veranstaltungsreihe "HSHL Wissenswert - Energie im Wandel" ist ein neues Veranstaltungsformat und rückt die Energiewende in den Mittelpunkt der Betrachtung. Die Förderung des wissenschaftlichen Austauschs über die Entwicklungen der Energiewende ist dabei ein wichtiger Aspekt.